Die Geschichte unserer Zivilisation wird nicht nur von Historikern und Kritikerinnen schwarz auf weiß geschrieben, sondern wurde auch – mit Schwarz und Weiß – von Künstlerinnen und Kreativen zu allen Zeiten in diesen zwei, maximal gegensätzlichen Farben erschaffen. Zeichnungen eines Dürer oder Michelangelo, Flachreliefs eines Donatello oder Riemenschneider, Drucke von Rembrandt bis Picasso, funktionieren farblos, entweder durch genuin skulpturale Prinzipien, die durch Licht und Schatten wirken oder dem rein bildlichen Spiel, in allen möglichen Schattierungen durch Schraffuren, die Hell und Dunkel erzeugen.

So scheint es legitim, die Bedeutung der Farben von Schwarz und Weiß bei mittelalterlichen Skulpturen zu untersuchen, die zum interessantesten und auch mysteriösesten zählen, was die Kunstgeschichte zu bieten hat: den „Weißen und Schwarzen“ Madonnen.

Diese Bildwerke sind deswegen so interessant und einzigartig, weil wir laut Koller1 keinen Hinweis darauf haben, dass die Schwarzen Madonnen, die auf uns gekommen sind, ursprünglich von den Bildhauern und Faßmalern als solche erschaffen wurden, sondern durch Zeitablauf, durch Be- und Abnutzung oder auch Beopferung, nachgedunkelt oder sogar vollkommen geschwärzt wurden. Dazu der Restaurierungsexperte: „Zur möglichen Ursprünglichkeit (von schwarzer Färbung, Anh.) fand der Autor kein einziges Beispiel, das bei einer seriösen Untersuchung zu glaubhaften Befunden geführt hätte.“ Auch Suckale-Redlefsen2 stellt an Hand der Schwarzen Madonna von Luxemburg fest „… seit wann dieses Gnadenbild schwarz ist? Es dürfte wohl kaum von Anbeginn gewesen sein.“

Diese Metamorphosen, für die Gläubigen des Mittelalters wundersame, und für die heutigen Betrachter noch immer staunenswerte Veränderungen, des Inkarnats von weiß zu schwarz, führte zu einer Rezeption, die weit über die eines „normalen“ Kunstwerkes hinausgeht. Sie führt von der Welt religiöser Verehrung und Inbrunst, in die Bereiche der Mystik und sogar des Irrationalen.

1 Koller, Seite 120 , 2008.
2 Suckale-Redlefsen, Seite 162, 2009.

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